Unerfüllter Kinderwunsch
Der Wunsch, eine Familie zu gründen, ist für viele Paare ein zentrales Lebensziel. Doch etwa 15-20% aller Paare in Österreich kämpfen mit unerfülltem Kinderwunsch. Die Gründe dafür sind vielfältig und betreffen sowohl Frauen als auch Männer. Eine gründliche Diagnose der Ursachen ist entscheidend, um die bestmöglichen Behandlungsoptionen zu finden.
Die Bedeutung der genetischen Diagnostik
Wenn Paare Schwierigkeiten haben, schwanger zu werden, können genetische Faktoren eine wichtige Rolle spielen. Die genetische Diagnostik hilft, die genauen Ursachen der Fruchtbarkeitsstörung zu identifizieren, was für die Wahl der richtigen Behandlung entscheidend sein kann.
Übersicht
Genetische Ursachen
Genetische Ursachen beim Mann
Eine häufige Ursache für männliche Unfruchtbarkeit sind Störungen in der Spermienproduktion, die auf genetische Probleme zurückzuführen sein können. Zum Beispiel:
Spermatogenesestörungen
Beziehen sich auf Probleme im Prozess der Spermienbildung im Hoden, der durch genetische oder andere Faktoren gestört werden kann. Solche Störungen können zu einer verminderten Spermienzahl und -qualität führen, was die Fruchtbarkeit stark beeinträchtigt. Beispielsweise führt Oligozoospermie zu einer geringeren Spermienkonzentration im Ejakulat, während bei Azoospermie gar keine Spermien vorhanden sind. Die Behandlungsmöglichkeiten variieren je nach Ursache, wobei in einigen Fällen eine testikuläre Spermienextraktion (TESE) und anschließende In-vitro-Fertilisation (IVF) in Betracht gezogen werden können.
Chromosomenstörungen
Wie z.B. das Klinefelter-Syndrom (47,XXY) können die Spermienproduktion negativ beeinflussen. Diese Störungen betreffen die Anzahl oder Struktur der Chromosomen und sind bei etwa 15% der Männer mit Azoospermie nachweisbar. Eine genetische Beratung ist nach der Diagnose entscheidend, um die Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit zu verstehen und geeignete Behandlungsoptionen zu besprechen.
Mikrodeletionen des Y-Chromosoms
Sind kleine genetische Verluste in spezifischen Regionen des Y-Chromosoms, die für die Spermatogenese notwendig sind. Diese Mikrodeletionen, insbesondere in den AZF-Regionen (Azoospermiefaktoren), sind häufige genetische Ursachen für eine nicht-obstruktive Azoospermie. Bei etwa 15-20% der Männer mit dieser Form der Azoospermie und etwa 7-10% der Männer mit schwerer Oligozoospermie werden solche Deletionen gefunden. Eine präzise Diagnose ist wichtig, da bei bestimmten Deletionen, wie in der AZFc-Region, die Möglichkeit besteht, Spermien durch TESE zu gewinnen.
CFTR-Genmutationen
Bekannt als Hauptursache für Mukoviszidose, können sie auch zu einer obstruktiven Azoospermie führen, bei der die Samenleiter blockiert oder nicht richtig ausgebildet sind. Diese genetische Veränderung betrifft etwa 80% der Männer mit einer kongenitalen bilateralen Aplasie des Vas deferens (CBAVD), einer speziellen Form der Azoospermie. Eine genaue genetische Analyse ist entscheidend für die Diagnose und Behandlung, da sie hilft, die bestmöglichen reproduktiven Optionen zu bestimmen, einschließlich der Möglichkeit von Techniken wie TESE oder Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI).
Genetische Ursachen bei der Frau
Auch bei Frauen können genetische Faktoren eine Rolle bei der Unfruchtbarkeit spielen.
Hypergonadotroper Hypogonadismus
Ist eine Form der Ovarialinsuffizienz, bei der genetische Ursachen wie das Turner-Syndrom (45,X) eine Rolle spielen können. Diese Chromosomenanomalien beeinträchtigen die normale Funktion der Eierstöcke, was zu Unfruchtbarkeit führen kann. Bei etwa 10% der betroffenen Frauen liegt eine solche Gonosomenaberration vor. Eine Chromosomenanalyse ist in diesen Fällen wichtig, um die Ursache der Unfruchtbarkeit zu klären.
Prämutationen im FMR1-Gen
Sind eine weitere genetische Ursache für Unfruchtbarkeit bei Frauen. Diese Prämutationen erhöhen das Risiko für eine vorzeitige Ovarialinsuffizienz, bei der die Eierstöcke ihre Funktion vorzeitig einstellen. Frauen mit solchen genetischen Veränderungen haben auch ein erhöhtes Risiko, Kinder mit dem Fragilen-X-Syndrom zu bekommen, einer Erkrankung, die mit Intelligenzminderung und Verhaltensstörungen einhergeht.
Hypogonadotroper Hypogonadismus
Tritt bei Frauen auf, wenn die Produktion von gonadotropen Hormonen, die für die Funktion der Eierstöcke entscheidend sind, gestört ist. Diese seltene Erkrankung ist oft genetisch bedingt und kann durch Mutationen in verschiedenen Genen verursacht werden. Der Zustand ist relativ selten, betrifft aber die Fähigkeit der Frau, auf natürliche Weise schwanger zu werden.
Hyperandrogenämie
Beschreibt einen erhöhten Spiegel männlicher Hormone im Blut und wird oft durch genetische Störungen wie das Adrenogenitale Syndrom (AGS) verursacht. Diese Störung kann zu einer beeinträchtigten Fruchtbarkeit führen und erfordert eine spezielle genetische Diagnostik, um den zugrunde liegenden Enzymdefekt zu identifizieren und eine passende Behandlung zu ermöglichen.
Genetische Ursachen beim Paar
KIR- und HLA-C Genotypen
Die Interaktion zwischen natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) in der Gebärmutterschleimhaut und dem sich entwickelnden Embryo gehört zu den immunologischen Faktoren, welche das Zustandekommen und den Fortbestand einer Schwangerschaft wesentlich beeinflussen. Vermittelt wird diese Interaktion durch Killerzell-Immunoglobulin-ähnliche Rezeptoren (KIR), die von uterinen NK-Zellen exprimiert werden, und HLA-C-Antigenen auf der Oberfläche des Trophoblasten. Sowohl die KIR-Genfamilie als auch die HLA-C-Moleküle weisen dabei eine äußerst hohe genetische Variabilität auf. Obwohl das komplexe Zusammenspiel der beiden Gensysteme noch nicht umfassend geklärt ist, gibt es Hinweise darauf, dass bestimmte Kombinationen von mütterlichen KIR-Genotypen und fetalen HLA-C-Molekülen ein höheres Risiko für Implantationsversagen, habituelle Aborte und Schwangerschaftskomplikationen wie Präeklampsie mit sich bringen.
Die KIR- beziehungsweise HLA-C-Genotypisierung im Rahmen einer reproduktionsmedizinischen Behandlung erfolgt durch eine Analyse der genomischen DNA des Kinderwunschpaares. Dabei wird untersucht, welche Sets an aktivierenden und inhibierenden KIR bei der Frau vorhanden sind, und der HLA-C-Genotyp des Mannes (HLA-C1/C1, HLA-C1/C2 oder HLA-C2/C2) bestimmt. Sollte für die Behandlung eine Gametenspende erforderlich sein, wird auch die Eizellspenderin beziehungsweise der Samenspender einer HLA-C-Genotypisierung unterzogen.
Das immunologische Verständnis der KIR-HLA-C-Interaktion reicht aktuell nicht aus, um eine kausale Beziehung zwischen bestimmten elterlichen Genotypen und dem Auftreten von Implantationsversagen, wiederholten Fehlgeburten oder Schwangerschaftskomplikationen zweifelsfrei herzustellen. Verschiedene Studien zeigen jedoch, dass die aus der KIR- und HLA-Genotypisierung gewonnenen Informationen dabei helfen können
- die optimale Anzahl an Embryonen für einen Transfer im IVF-Zyklus zu bestimmen
- möglichen Komplikationen während der Schwangerschaft vorzubeugen und
- im Fall einer Gametenspende eine Spenderin beziehungsweise einen Spender auszuwählen, deren/dessen HLA-C-Genotyp mit dem KIR-Genotyp der zukünftigen Mutter immunologisch kompatibel ist
Bedeutung für betroffene Paare
Für Paare mit unerfülltem Kinderwunsch ist es wichtig, sich umfassend untersuchen zu lassen, um die genaue Ursache der Fruchtbarkeitsstörung zu identifizieren. Die genetische Diagnostik spielt hierbei eine Schlüsselrolle, da sie hilft, gezielte Behandlungsstrategien zu entwickeln. In vielen Fällen kann eine assistierte Reproduktionstechnik, wie die In-vitro-Fertilisation (IVF), in Kombination mit genetischer Beratung und Diagnostik zum ersehnten Erfolg führen.
Sie haben Fragen oder benötigen eine ausführliche Beratung? Gerne helfen wir Ihnen bei der Suche nach einem passenden Kinderwunschzentrum: Kontakt