Prämature Ovarialinsuffizienz (POF) ist durch das vorzeitige Versagen der Ovarialfunktion vor dem 40. Lebensjahr gekennzeichnet, was zu Amenorrhoe, Infertilität und hypoöstrogenen Symptomen führt. Eine häufige genetische Ursache für POF ist die Prämutation im FMR1-Gen auf dem X-Chromosom, das für das fragile X-assoziierte Tremor-/Ataxie-Syndrom (FXTAS) und fragile X-Syndrom verantwortlich ist. Frauen mit einer FMR1-Prämutation haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von POF aufgrund der abnormalen Expansion der CGG-Trinukleotid-Wiederholung im 5′-untranslatierten Bereich des Gens.
Indikationen
Die genetische Analyse des FMR1-Gens bei Verdacht auf POF wird in folgenden Fällen empfohlen:
- Familienanamnese von POF oder fragilen X-Syndrom: Frauen mit einer bekannten familiären Belastung für POF oder fragile X-Syndrom haben ein erhöhtes Risiko für eine FMR1-Prämutation.
- Ungeklärte sekundäre Amenorrhoe: Frauen, die ohne erkennbare Ursache eine sekundäre Amenorrhoe entwickeln, sollten auf eine FMR1-Prämutation untersucht werden.
- Gynäkologische Endokrinopathien: Patienten mit unklaren endokrinologischen Befunden, wie erhöhtem FSH-Spiegel, in Verbindung mit Oligomenorrhoe oder Amenorrhoe.
- Assistierte Reproduktionsmedizin: Vor der Durchführung von IVF oder anderen assistierten Reproduktionstechniken sollte bei Frauen mit POF oder unklarer Ovarialinsuffizienz eine FMR1-Analyse erwogen werden.
- Psychiatrische und neurodegenerative Symptome: Frauen mit kognitiven Beeinträchtigungen oder neurologischen Symptomen, die mit FXTAS in Verbindung stehen könnten, sollten auf eine FMR1-Prämutation getestet werden.
Die Analyse des FMR1-Gens beinhaltet die Bestimmung der Anzahl der CGG-Repeats mittels PCR und Southern Blotting, um Prämutationen (55-200 CGG-Repeats) und Vollmutationen (>200 CGG-Repeats) zu identifizieren. Prämutationen sind typischerweise mit einer instabilen Vererbung verbunden, die zu einer weiteren Expansion in nachfolgenden Generationen führen kann.
In der klinischen Praxis ermöglicht die genetische Analyse des FMR1-Gens nicht nur die Bestätigung der Diagnose bei Frauen mit POF, sondern auch die Identifikation von Risikopersonen in der Familie, was eine prädiktive Testung und genetische Beratung relevanter Familienmitglieder ermöglicht.