Die Ganz-Exom-Sequenzierung (Whole-Exome-Sequencing, WES) ist eine leistungsstarke Technologie der Next-Generation-Sequenzierung (NGS), die zur Analyse aller proteinkodierenden Regionen des menschlichen Genoms verwendet wird. Diese Methode ermöglicht die Identifikation von Varianten in Exons, die potenziell pathogene Mutationen in kodierenden Regionen der Gene darstellen können. WES ist besonders effektiv für die Entdeckung von Varianten, die seltene genetische Erkrankungen verursachen und für die Analyse komplexer genetischer Hintergründe. Die Technologie basiert auf der Anreicherung und anschließenden Sequenzierung der Exons, wodurch eine hohe Abdeckung und Genauigkeit der Daten gewährleistet wird. Die resultierenden Sequenzdaten werden bioinformatisch ausgewertet, um Varianten zu identifizieren, die dann weiter charakterisiert werden können, um ihre klinische Relevanz zu bestimmen.
Indikationen
Die Anwendung der WES ist indiziert bei Patienten mit einer vermuteten genetischen Erkrankung, die klinisch und genetisch heterogen ist und für die eine zielgerichtete genetische Testung nicht zielführend wäre. Zu den spezifischen Indikationen gehören:
- Seltene genetische Erkrankungen: WES ist besonders nützlich bei der Diagnostik von seltenen monogenen Erkrankungen, bei denen die klinische Präsentation und das Spektrum der beteiligten Gene komplex und vielfältig sind.
- Unerklärte Entwicklungsstörungen: Bei Patienten mit nicht diagnostizierten Entwicklungsverzögerungen, intellektuellen Behinderungen oder angeborenen Fehlbildungen kann WES helfen, ätiologische genetische Varianten zu identifizieren.
- Komplexe neurologische Erkrankungen: WES wird angewendet bei unklaren neurodegenerativen und neurometabolischen Erkrankungen sowie bei Epilepsieformen, die auf eine genetische Ursache hindeuten.
- Ungeklärte multisystemische Erkrankungen: Bei Patienten mit multisystemischen Symptomen, für die bisher keine klare Diagnose gestellt werden konnte, bietet WES die Möglichkeit, genetische Ursachen aufzudecken.
- Differenzialdiagnostik bei genetischen Syndromen: WES kann eingesetzt werden, um bei klinisch schwer einzuordnenden Syndromen eine genetische Diagnose zu ermöglichen und somit die Differenzialdiagnose zu erweitern.
- Familiäre Krebssyndrome: In Fällen von familiären Häufungen von Krebserkrankungen, bei denen das zugrunde liegende genetische Risiko unbekannt ist, kann WES zur Identifikation prädisponierender Varianten beitragen.
Die WES-Technologie stellt somit ein unverzichtbares Werkzeug in der modernen genetischen Diagnostik dar, das insbesondere bei komplexen und schwer diagnostizierbaren Fällen zur Anwendung kommt. Durch die umfassende Analyse der Exome bietet sie die Möglichkeit, neue krankheitsverursachende Varianten zu entdecken und das Verständnis genetischer Erkrankungen zu erweitern.
Für Indikationen gelistet nach Fachgebiet, siehe auch INDIKATIONSSPEZIFISCHE DIAGNOSTIK